Samstag, 23. Juni 2007

Vom Couchpotato zum Sumowalker

Bis zum zarten Alter von 40 Jahren hatte ich mit Sport wenig im Sinn. Ich genoß die Vorzüge der Überflußgesellschaft in vollen Zügen und ließ kulinarisch nichts aus, das entweder Fett oder Zucker (am besten beides) enthielt. Zum Zurücklegen längerer Strecken (100 Meter aufwärts) hatte ich ja schließlich ein Auto. Durch dieses harte Training hatte ich mir bis Anfang August 2003 ein Lebendgewicht von 150 kg. erarbeitet. Dann bekam ich von meinem Arzt die überraschende Mitteilung, daß meine Lebensweise auf Dauer nicht ganz gesund sein soll. So etwas ähnliches hatten mir schon viele Leute vor ihm gesagt, aber im Gegensatz zu den Anderen konnte er seine Behauptung durch ein paar unerfreuliche Zahlen belegen.

Um das Unmögliche (Gewichtsabnahme von 68 kg.) in Angriff zu nehmen, modifizierte ich erst einmal minimal meinen Ernährungsplan (keine Chips, keine Schokolade, viel Obst, etc.). Da man Achillessehnen und Fußgelenken nicht zu viel zumuten soll, wählte ich als Einstieg in körperliche Ertüchtigung erst einmal das Schwimmen. In den folgenden Wochen fand man mich fast täglich in irgendeinem Schwimmbad. Meine Zeit für 1000 Meter reduzierte sich von 40 auf 28 Minuten (also ungefähr von Seepferdchen auf Freischwimmer).

Im Dezember 2003 dachte ich dann über Walken nach. Laufen war angesichts meiner bis dahin noch 120 kg. nicht drin. Es lag ja schließlich noch ein weiter Weg vor mir, und da wollte ich keine Verletzung riskieren. Ich wählte als Anfangsstrecke den Bürgersteig einer 6 Kilometer langen Hauptstraße in die Nachbarstadt. So ließ ich mir die Möglichkeit offen, jederzeit mein Vorhaben abbrechen zu können und den Bus nach Hause zu nehmen. Ich hielt durch und brauchte beim ersten Mal ca. eine Stunde. Hierdurch ermutigt, walkte ich fast täglich Strecken zwischen 6 und 8 Kilometern. Nach ca. 2 Monaten packte mich der Übermut und ich nahm mir vor, bis nach Essen (14 Kilometer Entfernung) zu walken. Als ich dort nach ca. 2 1/4 Stunden ankam, erinnerte ich mich dunkel, daß es im Essener Süden den Baldeneysee gibt, wo es auch im Winter sehr schön ist. So nahm ich meine letzten Kräfte zusammen und kam nach gut 4 Stunden und insgesamt 24 Kilometern dort an. Das ungläubige Staunen, das ich bei meiner Erzählung erntete, spornte mich an, an den nächsten Wochenenden immer ein Stückchen weiter zu gehen. Schließlich war ich dann im März 2004 bei einer Strecke angelangt, die in etwa einem Marathon entspricht. Zu diesem Zeitpunkt näherte ich mich schon deutlich der 100 kg.-Grenze.

Im April 2004 fand der Ruhrmarathon in unmittelbarer Nähe statt und ich faßte den kühnen Plan: "Da machst Du im nächsten Jahr auch mit." Ich hatte bloß noch keine Idee, wie ich das Zeitlimit von 6 Stunden schaffen sollte. Zwischenzeitlich hatte ich kurz getestet, ob meine Sehnen und Gelenke mit dem Laufen klarkommen. Beide haben mir schnell mitgeteilt, daß sie zwar schon an Bewegung interessiert sind, aber nicht an so heftiger. So blieb ich beim Walken. Einen Tag des Wochenendes reservierte ich für einen Walk von 40 bis 50 Kilometern. Die gleiche Strecke legte ich in Einzelhäppchen von 6 bis 14 Kilometern täglich noch einmal in der Woche zurück.

Ende Juli 2004 war es dann so weit: Die Waage zeigte 82 kg. an - mein Normalgewicht. Ganz nebenbei war ich inzwischen fit wie ein Turnschuh. Ich trainierte weiter wie bisher und gönnte mir sogar hin und wieder feste Nahrung.

Am 01.01.2005 walkte ich die original Ruhrmarathonstrecke, um zu testen, wie weit ich noch von meinem Ziel entfernt bin. Ich benötigte genau 6 Stunden. Dieser Teilerfolg inspirierte mich so sehr, daß ich den Test noch dreimal wiederholte. Beim vierten Versuch benötigte ich schließlich nur noch 5:30 und ich war zuversichtlich, daß ich im April nicht versagen würde.
Spätestens ab Mitte März kam dann das große Lampenfieber. Merkte ich da nicht ständig eine kleine Zerrung im Oberschenkel oder im großen Zeh? Ich machte meine Umgebung und mich so nervös, daß ich es nicht mehr bis zum 17.04. aushielt und so meldete ich kurzerhand für den Bonn-Marathon am 10.04. nach. Unfachmännisch bekleidet mit Regenjacke und Jeans walkte ich meinen ersten Marathon mitten in einem Läuferfeld, und zwar in 5:09. Es erwies sich als gut, daß ich in Bonn die volle Distanz zurückgelegt hatte, denn eine Woche später beim Ruhrmarathon hatte ich tatsächlich ein kleines Zipperlein, so daß ich hier auf die Halbmarathonstrecke ausweichen mußte. Angetrieben von vielen Bekannten und Kollegen in meiner Heimatstadt Gladbeck walkte ich mit 2:21:20 auf Platz 9. Es folgten die Marathons im Düsseldorf und Duisburg, die ich jeweils unter 5 Stunden absolvierte.

Spätestens am 19.06. wurde meine Walking-Begeisterung pathologisch. Ich gewann den Walking-Halbmarathon von Boppard nach Koblenz bei strahlendem Sonnenschein und einer großen Schar jubelnder Zuschauer an der Ziellinie am Deutschen Eck mit 2:19:10.

Zwischenzeitlich habe ich über zwanzig Marathons und einige Ultras absolviert. Durch eine Bandscheibenvorwölbung im LWS-Bereich muss ich das Walking-Training durch Gymnastik ergänzen, damit ich relativ schmerzfrei bin. Meine Freude an Marathon-Veranstaltungen hat mir dies jedoch nicht genommen.

1 Kommentar:

Angelika hat gesagt…

Hallo Georg,

ich habe gerade ein wenig in Deinem Blog gestöbert. Es gefällt mir sehr gut! Weitr so! Deine Berichte, die ich bisher gelesen habe, finde ich richtig gut :-) Jetzt haben wir noch eine Seite mehr unter unsere Favoriten :-)

Schöne Grüße
Angelika