Samstag, 23. Juni 2007

Koblenz, 30 Grad - der Oberschenkel hält (Mittelrhein-Marathon Juni 2006)

Freitag, 16.06.06

morgens

Morgen fahre ich zum zweiten Mal nach Koblenz, um dort bei strahlendem Sonnenschein am Mittelrhein-Marathon (HM Walker) teilzunehmen. Diese Veranstaltung ist etwas ganz besonderes für mich, da ich dort genau vor einem Jahr meinen ersten Wettkampf gewonnen habe. Leider ist meine Vorfreude etwas getrübt, da ich mittags noch zur Kernspintomographie muß, damit endlich abgeklärt wird, aus welchem Grund mein linker Oberschenkel seit Wochen so schnell krampft und schmerzt.

mittags

Frustriert halte ich den Bericht über das Ergebnis der Kernspintomographie in meinen Händen: „L4/L5 breitbasige Protrusion und Facettenhypertrophie mit relativer Stenose und L5/S1 deutliche Protrusion mit relativer sekundärer Stenose“ ist da zu lesen. Was das praktisch bedeutet, hat mir der Radiologe mit einfachen Worten erklärt: mit viel Krankengymnastik die Bauchmuskulatur stärken, Rückenschwimmen, radeln, möglichst nicht laufen, walken nur alle paar Tage mal und danach möglichst warten, bis die Schmerzen weg sind… Ach ja, ich solle mich auch ruhig darauf einstellen, langfristig regelmäßig Schmerzmittel nehmen zu müssen. So richtig gefällt mir das nicht, was der Onkel mir da erzählt hat. Zu Hause angekommen, gebe ich dann erst einmal die zentralen lateinischen Begriffe bei LA und Google ein und finde Berichte von aktiven Läufern, die drei Bandscheibenvorfälle hatten sowie eine Liste von Kliniken, die Protrusionen operieren. Das macht deutlich mehr Mut. Direkt nach der Diagnose war mir danach, mich am Wochenende auf die Couch zu setzen, Chips zu futtern und sinnlose Dinge zu tun wie z.B. Fußball zu gucken. Jetzt beschließe ich, mich heute abend beim Läuferstammtisch zu vergnügen, morgen wie geplant nach Koblenz zu fahren und angesichts meines noch guten Trainingszustands übermorgen noch einmal eine richtig motivierende Abschiedsvorstellung vom Extrem-Power-Walking zu geben.

Samstag, 17.06.06

Wie geplant, treffen sich 6 Foris (Sarah, Edith, Nele, Michael, Roland und ich) pünktlich um 17.30 Uhr an der Sporthalle Oberwerth.

Nach Auffüllung der Kohlenhydratspeicher bei der Koblenzer Kartoffelparty beschließt die Ruhrgebietsfraktion, sich schon mal ganz genau den Zielbereich am Deutschen Eck anzuschauen. Leider ist noch nicht genau erkennbar, wie der Zieleinlauf verlaufen wird, da sich dort am Vorabend des Marathons ein Public Viewing Point for Soccer Maniacs (oder so ähnlich) befindet. Sonntag, 18.06.06Ein Blick aus dem Fenster: schön sonnig heute – perfektes Wetter für einen letzten zügigen Walk. Beim Frühstück muntert mich Sarah auf und vertreibt die letzten düsteren Gedanken. Am Bahnhof treffe ich Roland; wir machen einen kleinen Nervositätscheck mittels Pulsuhr. Ich hab keine um und muß per Hand messen: 54 – wird heute bestimmt noch mehr… Ich schocke Roland mal kurz, indem ich seine erreichbare Zeit auf 2:35 bis 2:40 schätze…

Eine gute halbe Stunde vor dem Start erreichen wir Boppard. Es bleibt genug Zeit, um sich noch einmal ein bisschen zu erleichtern, aber nicht mehr genug Zeit, um sich über Gebühr nervös zu machen. Ich treffe Michael Münch, der mir beim Walking Day 2005 in Köln über 30 Kilometer ca. 8 Minuten abgenommen hat und weiß: Um den Sieg walkst Du heute also nicht mit. Ich versuche, mich nicht wie im letzten Jahr nach ganz hinten zu stellen, sondern schon mal vor dem Start einige Stöckchen hinter mir zu lassen – eine weise Entscheidung, denn die Nordic Walker, die ich nach dem Start noch zu überholen habe, sorgen ausreichend dafür, daß ich nicht zu schnell angehe…

Nach Kilometerschild 1 hat sich das Thema Nordic Walker für mich aber erledigt. Michael ist schon sehr weit vor mir, zwei unbekannte Walker vor mir erscheinen mir von Sekunde zu Sekunde größer und sind schließlich hinter mir. Einer von beiden grüßt einen von hinten heranstürmenden Walker mit „Hallo Hajo, hast Du heute mal wieder den Turbo eingelegt?“ In diesem Moment fallen mir die Worte meines Kollegen ein: „In Köln walkt immer ein Hajo Siewers mit, der macht die 5 Kilometer unter 31 Minuten. Komm’ doch das nächste Mal mit und guck’ ihn Dir in aller Ruhe von hinten an…“ Wie erwartet, zieht Hajo langsam aber sicher an mir vorbei, wird aber nicht deutlich schneller. Das Tempo kann ich mitgehen. Inzwischen mache ich konstant 6:30er Kilometer. Zu meinem großen Erstaunen holen wir langsam aber sicher auf Michael auf. Bei Kilometer 5 ziehe ich an Hajo vorbei und bei Kilometer 6 habe ich sogar auf Michael aufgeschlossen. Wir wechseln ein paar freundliche Worte. Michael möchte gerne, daß ich neben ihm walke, weil das irgendwie gemütlicher wäre als alleine durch die Gegend zu stapfen. Ich gebe ihm recht, lasse ihn aber gleichzeitig wissen, daß das gar nicht so einfach für mich ist, da ich schon am Limit walke. Er sieht ein, daß das nichts wird mit unserem kleinen Walkerrudel und gibt noch mal ein bißchen Gas. Nach 5 Minuten kann ich den Vereinsaufdruck auf seinem Shirt nicht mehr lesen, nach weiteren 10 Minuten nehme ich ihn nur noch als kleinen blauen Punkt am Horizont wahr. Ich überlege einen Moment, ob ich versuchen soll, das Tempo mitzugehen, entscheide mich aber spontan dagegen, da ich ja heute angetreten bin, um noch einmal richtig Spaß bei einem Walking-Wettbewerb zu haben und nicht um eine private Kennenlernparty mit Koblenzer Sanitätern zu veranstalten.

Ab Kilometer 14 pendelt sich mein Tempo bei knapp 7 Minuten pro Kilometer ein – zu diesem Zeitpunkt mein persönliches Wohlfühltempo bei 30 Grad. Bei einer Steigung meldet sich mal kurz und ganz dezent mein Oberschenkel. Sei ruhig – um Dich kümmer’ ich mich später. Er hat’s gehört…Bei Kilometer 15 gibt es eine Getränkeausgabe der besonderen Art: Die jungen Damen des „Coyote Ugly“ reichen Erfrischungen. Das gibt auch mentale Kraft für die letzten Kilometer… Kurz vor dem Ziel bin ich etwas irritiert, da das Inliner-Ziel noch nicht abgebaut ist und ich bei Kilometer 39,9 über Zeitnahmematten walken muß, dann sehe ich das Schild mit der 21 und weiß, dass es noch ein paar Meter sind. Erschöpft aber unendlich zufrieden erreiche ich das Ziel als Zweiter nach 2:21:11. Die Stimmung im Ziel – die Siegerehrung – entspannte Nachbereitung eines ereignisreichen Tages mit tollen Foris bei einem Weizenbier… - Ja, das Leben ist schön!


Montag, 19.06.06

Ich habe gerade einen etwas zu lang geratenen Walking-Bericht geschrieben. Morgen werde ich mal meinen Orthopäden besuchen, werde ihm viel von Freitag und wenig von Sonntag erzählen und dann schauen wir mal gemeinschaftlich, wie es weiter geht...

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