Sonntag, 2. August 2009

The rising sun's a beautiful thing - early in the morning...

Die ehemaligen Reiseweltmeister sind sesshaft geworden. Es ist richtig klasse, reisen zu können, wenn wir Lust dazu haben und es sein zu lassen, wenn uns der Sinn nach Entspannung steht. So richtig aktives Entspannungsprogramm hatten wir für die vorletzte Woche gebucht – die 4daagse in Nijmegen.

Während Eddi wegen ihres deutlich längeren Arbeitswegs nur an Wochenenden ein paar Trainingseinheiten absolviert hatte, war ich fast täglich unterwegs. Es beflügelt halt, nachmittags Eddis Arbeitsweg abzuschreiten, während sie mir mit dem Auto entgegenkommt. So kamen montags bis donnerstags jeweils 12 Kilometer zusammen, freitags ca. 25 Kilometer. Zwei Dinge ließen mich zweifeln, ob ich die 4daagse in diesem Jahr schaffen würde: Zum einen sind meine Gräten immer noch sehr launisch und zum anderen sind maximal 25 Kilometer Training nicht unbedingt ausreichend, um 4 mal 50 Kilometer ohne Probleme durchmarschieren zu können.

So war es keine Überraschung, dass ich bereits am ersten Tag recht massive Probleme bekam. Die Muskeln und Gelenke zickten rum und unter meinem kleinen Zeh bildete sich recht rasch eine große Blase. Diese Anlaufschwierigkeiten wurden jedoch durch die Stimmung am Wegesrand und die malerische Strecke bei Sonnenschein und blauem Himmel mehr als kompensiert. Eddi sorgte auf den ersten 30 Kilometern für die eine oder andere Tempoverschärfung und so flogen die Bäume, Häuser und Zuschauer nur so an uns vorbei. Lediglich die reichlich angebotenen Lakritzstückchen, Gurkenscheiben, TUC-Plätzchen, Schokostückchen und vieles mehr hielten uns davon ab, dass wir tempomäßig überdrehen oder unterzuckern. Auch für Wassernachschub wurde gut gesorgt, da reichlich Gartenschläuche zur Befüllung der mitgebrachten Flaschen vorhanden waren.


Zwanzig Kilometer vor Schluss zeigte sich Eddi zunehmend interessiert an einer etwas längeren Pause. Zuvor waren wir fast alle 20 Meter an einer Raststelle mit schattigen Plätzchen vorbeigekommen – nun waren sie wie vom Erdboden verschwunden. Nach efektiven 5 und gefühlten 50 Kilometern war es endlich so weit. Wir fanden nicht nur eine geeignete Verpflegungsstelle, sondern zugleich noch die mit dem billigsten und besten Kaffee der gesamten 4daagse. Auch ein salziges Süppchen kam zu diesem Zeitpunkt sehr gut an. Frisch gestärkt ging es auf die letzten Kilometer. Nach 2 Kilometern waren die Muskeln wieder einigermaßen in Schuss, aber der 6 Kilometer lange Deich kurz vor Schluss zog sich schier endlos hin.

Kurz vor 15 Uhr erreichten wir nach 53 Kilometern das Ziel. Eddi hatte ihren Plan, einen Tag komplett durchzuhalten, in die Tat umgesetzt, bei mir zeigten sich bereits jetzt deutliche Verschleißerscheinungen, nur Martin hüpfte um uns herum, als habe er gerade das Geheimnis der Schwerelosigkeit entdeckt.

Mittwoch klingelte der Wecker erneut gnadenlos um kurz nach zwei. Meine Muskeln ließen mich wissen, dass Urlaub schön ist und 4daagse doof sind. Ich hörte nicht auf sie und stand pünktlich um vier wieder mit Martin im Startbereich
.

Bis Kilometer 18 sind Martin und ich mit dem Strom mitgeschwommen, um dann unser erstes Kaffeepäuschen zu machen. Damit die Muskeln sich nicht verküzen, machte ich ebensolches mit der Pause und legte von Kilometer 18 bis 40 mal eine Schüppe drauf . Angegammelte Sehnen scheinen es zu mögen, wenn sie richtig warm sind, denn es gab keine nennenswerten Probleme. Das langgezogene Stück über einen Deich und quer durch die Felder, das ich aus den Vorjahren als etwas öde in Erinnerung hatte, konnte ich so in vollen Zügen genießen - schließlich gab es zur Belohnung eine fast halbstündige stimmungsvolle Ortsquerung durch Wijchen. mit heißen Rhythmen und allerlei Schnuckerkram. Lediglich auf das kleine kostenlose Pröbchen Schoko-Sojamilch hätte ich verzichten sollen. Zusätzliche Boxenstopps waren nämlich eigentlich nicht eingeplant... Auch dass gerade bei Kilometer 40 die Sonne noch mal so richtig raus kam, fand ich entbehrlich.

Es war außerordentlich angenehm, mal relativ vorne mitzuwandern, da das Feld dort recht dünn war und hierdurch der eine oder andere Bodycheck von hinten entfiel. Kurz vor Schluss ging's noch eine kleine Anhöhe hoch, die mich jedoch gar nicht so recht angestrengt hat, da eine englische Armeeformation wie gerufen kam und mir die Gelegenheit gab, ein fröhliches blutrünstiges Liedchen mitzuträllern (...early in the morning...)

Zehn vor zwölf ließ ich im Zielbereich mein Kärtchen abstempeln, holte Eddi vom Bahnhof ab und so waren wir pünktlich zu Martins Zieleinlauf zurück.

Im Zug zu sitzen, ist wunderschön - aufzustehen allerdings nicht so. So dauerte der Weg vom Bahn hof zum Auto in Cuijk nur unerheblich kürzer als die 49 Kilometer. Das musste bis morgen wieder besser werden.

Donnerstag - Murmeltiertag in den Niederlanden: Punkt 2 ging der Wecker und das Verlangen liegenzubleiben war unwiderstehlich. Mit geschlossenen Augen legte ich dennoch den Weg zur Dusche leicht humpelnd zurück. Das konnte ja heiter werden heute - war wohl ein bisschen zu schnell gestern, nicht wahr? ;-)

Frühstück, Privattaxi zum Bahnhof und dann ein bisschen Wandertraining auf dem Bahnsteig. Klappt doch besser als gefürchtet.

Im Startbereich wartete Martin und kündigte gleich an, heute einen Gang zurückzuschalten, da ihn eine leichte Erkältung plagte. So trennten sich unsere Wege bereits bei Kilometer 2.

Trotz einer großen Zahl Abbrecher war die Strecke immer noch extrem voll. Da das leichte Einlatschen auch die letzten Zipperlein beseitigt hatte, bemühte ich mich, schnell nach vorne zu kommen - allerdings wurde das Feld nur äußerst langsam dünner. Konditionsprobleme kündigten sich nicht an. Zwar betrug die Luftfeuchtigkeit 90%, aber die angenehmen 16 Grad lieferten optimale Bedingungen.

Sich vom Start wie ein Irrer durchs Feld zu pflügen, hat nicht nur Vorteile. Jedes Dorf, das wir durchquerten, befand sich nämlich noch im Tiefschlaf. Keine Musik, keine aufmunternden „Success“-Rufe und vor allem kein Lakritz und keine Gurkenscheiben. So musste ich mich an den Zahlen berauschen, die mein GPS-Gerät ausspuckte: Kilometer 13: 7:35 min, Kilometer 14: 7:55 min.... Ein wandererfahrener Niederländer kündigte an, dass die Kilometer 20 bis 30 so richtig öde würden. Für den Weg durch Groesbeek und die Hügelchen rauf und runter prognostizierte er Spaß pur. Die Prognosen deckten sich ziemlich genau mit der erlebten Realität. Ab Kilometer 30 wurde trotz der frühen Uhrzeit kräftig gefeiert. Die geschundenen Waden hatten eine Menge zu tun, um mein Normalgewicht + X die Hügel hochzuhieven - aber wer nimmt schon Tempo raus und hört auf zu lächeln, wenn beidseitig Wohnwagen an Wohnwagen parkt und die Zuschauer jeden Wanderer die Hügel raufbrüllen.

Für Mittwoch, Donnerstag und Freitag war Dauerregen angesagt - 6 Kilometer vorm Ziel war's dann so weit. Es kübelte wie aus Eimern und reduzierte die ohnehin zu dieser Uhrzeit recht dürftige Zuschauerschar. Drei Kilometer vor dem Ziel sammelte mich Eddi ein - so wurde auch dieser letzte verregnete Teil noch zum Erlebnis.

Punkt 10 nach 11 waren wir im Zielbereich und durften noch 20 Minuten zusammen mit einem kleinen Häuflein weiterer Übermotivierter warten, bis die Zielregistrierung öffnet.

Am Montag hatte ich große Bedenken, ob mein Körper vier Tage wandern möchte – nach 3 erfolgreich absolvierten Tagen freute ich mich einfach nur noch auf 50 Kilometer schlendern und einen weiteren unvergesslichen Zieleinlauf auf der Via Gladiola.

Dauerregen und Unwetter hatte uns der Wetterdienst für Freitag versprochen. So musste die Kappe zu Hause bleiben und Platz für den Regenponcho machen.

Eigentlich sollten heute die Sandalen meine Füße im Rahmen des Möglichen zieren, da ich aber noch nie 50 Kilometer am Stück damit zurückgelegt hatte, entschied ich mich wieder für die altbewährten NB 753 nebst Einlage.

Nach 3 Tagen vergeblicher Suche hatten Martin und ich endlich den Startblock erwischt, der am schnellsten abgearbeitet wurde. So waren wir schon um kurz nach vier auf der Strecke. Gemächliches Genießen war angesagt, denn Tag 4 ist stimmungsmäßig nicht zu toppen - da möchte man doch möglichst viel von mitbekommen.


Auf dem ersten Kilometer übergaben die Feiernden des Vorabends den Staffelstab wieder an die Wanderer und feuerten uns lautstark an. Danach wurde es ruhig und wir hatten Zeit, uns langsam warm zu machen. Funktionierte alles wunderbar und die Kilometer schmolzen dahin. Zwischen Kilometer 15 und 25 war recht wenig Publikum anwesend. Über eine lange Geradeaus-Strecke quälten wir uns von Dorf zu Dorf. Eigentlich war perfektes Wanderwetter (bisschen bewölkt und nicht zu warm) - aber irgendwie machte sich eine Art Lustlosigkeit bei mir bemerkbar. Schwer zu sagen, ob die recht öde Strecke hieran schuld war oder das recht gemäßigte Tempo motivationshemmend wirkte...

Die Lebensgeister erwachten wieder, als wir eine kleine Kaffeepause in Beers einlegten. Nach 2 Minuten waren der Kaffee leer, der Akku wieder voll, ein paar Worte mit den edlen Spendern gewechselt und die Muskeln noch warm. Konnte weiter gehen - wenn wir nicht hinter der nächsten Ecke Bekannte aus den Vorjahren getroffen hätten. Martin wollte noch warten, bis der letzte der Gruppe aufbruchfertig war - der hatte aber gerade erst die ersten Löffel von einem heißen Süppchen verdrückt. So trennten sich hier unsere Wege.

Zusammen mit den beiden Flensburgern kam ich langsam wieder in Schwung. Da wir den ersten Teil der Strecke recht gemächlich zurückgelegt hatten, waren die Zuschauerränge bereits sehr gut gefüllt. In Cuijk stand das nächste Highlight der Strecke an. Es ging mitten durch die Stadt und über eine Pontonbrücke über die Maas. Jetzt mussten wir nur noch zurück nach Nijmegen.

Die Flensburger hatten sich recht bald nach vorne von mir verabschiedet, da sich meine Beine nach den Pausen richtig schlapp fühlten und mein Tempo schnell langsamer wurde.

Kurz vor der Via Gladiola wartete Eddi auf mich. Im Spaziergängertempo mit zusammengebisse nen Zähnen zogen wir vorbei an tausenden feiernder Zuschauer. Langsam kehrten die Lebensgeister zurück, auch inspiriert durch äußerst marschfreundliche Musikdarbietungen und strahlenden Sonnenschein.

Da langsam wandern nicht so recht klappen wollte, zogen wir drei Kilomter vor Schluss noch einmal das Tempo an. Das fühlte sich gut an und war ein perfekter Abschluss für richtig tolle vier Tage.

Eddis Berichte von den vier tollen Tagen findet ihr hier, hier und hier.