Montag, 16. August 2010

Ganz schön tot - Dodentocht 2010



Der Viertagesmarsch war trotz geringster Trainingsumfänge gut gelaufen und hatte mich verleitet, nunmehr größenwahnsinnig zu werden und zur Dodentocht nach Bornem/Belgien zu fahren. So fuhr ich mit einer Mischung aus Nervosität und Vorfreude direkt nach der Arbeit westwärts, um möglichst vor dem großen Pulk vor Ort zu sein. Der Zeitpuffer entpuppte sich als bitter notwendig, da einige längere Baustellen und der eine oder andere Stau zu überwinden waren, ehe ich das Stadtschild meiner Begierde vor mir sah. Zwischenzeitlich waren alle Parkplätze in Bornem belegt oder gesperrt, sodass ich auf einem Firmengelände vor der Stadt parken und den Shuttle-Bus nehmen musste. Hier waren ausreichend Parkplätze vorhanden, und auch der Bus ließ nicht lange auf sich warten.

In Bornem war bereits die Hölle los. Im gesamten Ort fand eine Riesenfete statt und allmählich füllte sich das Zelt, in dem das Meldebüro untergebracht war, mit Wanderern. Da ich mich eher kurzentschlossen für die Dodentocht interessiert hatte, musste ich mich in die Nachmelder-Schlange einreihen. Nach knapp 30 Minuten war ich jedoch bereits im Besitz der notwendigen Unterlagen. Neben einem Einweg-Zeitmesschip, den ich am Schuh festzurren musste, enthielt das Starterpaket das seit den 4daagsen von mir so geliebte Armbändchen – dieses Mal als Kennzeichen für die Futter- und Trinkberechtigung an den Verpflegungsstationen. Mit Hilfe des beigefügten Gutscheins konnte ich gleich vor dem Start das heißbegehrte Totenkopf-Shirt zum Kampfpreis von 5 EUR erwerben. Mit einer gewissen Weitsicht hatten die Veranstalter neben den Totenkopf das Wort „Teilnehmer“ und nicht etwa „Finisher“ gedruckt. Angesichts der hier üblichen Abbrecherquoten erweiterte sich somit der potentielle Käuferkreis um mehr als 50%.

Punkt 19 Uhr traf ich Heiko und Tom aus dem Runnersworld-Forum. Beide konnten mir schon ausgiebig von ihren Dodentocht-Erfahrungen berichten, sodass die Wartezeit bis zum Startschuss wie im Fluge verging. Meine beiden Mitstreiter nahmen sich vor, konstant 5,5 km/h zu gehen. Da meine unegalen Gräten ein Tempo von mindestens 6 km/h bevorzugen, damit sie nicht rumzicken, beschloss ich, mein 4daagse-Tempo wiederzufinden.

Da mir meine Nijmegen-Blase noch in guter Erinnerung war, hatte ich vor dem Start beschlossen, sowohl Einlagen als auch Schuhe auszutauschen, damit die jüngst geschundenen Stellen nicht erneut Probleme bereiteten. Wie sich herausstellte, war dies keine gute Entscheidung, da sich bereits auf den ersten 5 Kilometern die linke Achillessehne meldete. Üblicherweise hört sie auf zu zicken, wenn sie richtig warm ist – aber irgendwie wurde es immer schlimmer.

Nach 7,4 Kilometern sollte der erste Verpflegungsstand nebst Zeitmessung kommen. Tatsächlich waren es allerdings nur gut 6 Kilometer, womit dann auch geklärt wäre, aus welchem Grund in der Laufstatistik aller Teilnehmer auf dem ersten Stück irgendwelche Turbogeschwindigkeiten aufgelistet sind. Die Versorgung war gut. Ich stürzte drei Becher Wasser hinunter. Schließlich hatte ich ja noch einiges vor.

Dann wurde es Nacht in Belgien. Wir wanderten über Straßen und Feldwege. Die Strecke war angenehm flach. Ich hatte zwar eine Stirnlampe dabei, musste sie aber nicht auspacken, da die Hälfte der Wanderer dies bereits getan hatte und die Wege ausreichend hell beleuchtet waren. So richtig flüssig lief die Wanderung nicht, da die Wege nicht sehr breit waren und sich das Feld nicht so recht entzerren wollte. Hier und dort blockierten noch ein paar nordische Wanderer in stabiler Zweierkette und einer stockbedingten Ausdehnung eines mittleren Kleintransporters den Weg und sorgten dafür, dass der Pulk immer wieder ins Stocken geriet.

Nach 15 Kilometern erreichten wir erneut Bornem. Die Lichter, die Musik und die feiernden Leute weckten kurz die Lebensgeister. Bevor es zurück in die Dunkelheit ging, erspähte ich bei Kilometer 17 die lang ersehnte zweite Verpflegungsstation. Wir bekamen eine 0,33-Liter-Flasche Isodrink gereicht. Das tat so gut nach den 10 verpflegungsfreien Kilometern, dass ich mir gerne noch eine weitere Flasche gegriffen hätte. Zu meiner großen Verwunderung hieß es jedoch, die Flaschen seien abgezählt und jeder Wanderer bekäme nur eine. Was soll's - zu viel Trinken soll ohnehin schädlich sein, insbesondere auf 100-Kilometer-Märschen...

Ich nutzte die an der Verpflegungsstation gewonnene Zeit, um eine kleine Reibestelle zu verpflastern. Jetzt schon eine Blase zu bekommen, wäre schlecht gewesen. Es sollten ja schließlich noch 83 weitere Kilometer werden. Nach leichten Anlaufschwierigkeiten kam ich wieder in Tritt.

Auf den nächsten Kilometern legte ich jedoch den mentalen Grundstein für meinen baldigen Ausstieg. Irgendwie war plötzlich meine Motivation weg. Alles nervte mich: die falsche Schuhwahl, die Dunkelheit, die lähmende Müdigkeit nach einer etwas zu kurzen Nacht, einem Arbeitstag und einer recht stressigen Anreise und nicht zuletzt die spärliche Wasserversorgung. Sehnsüchtig schweiften meine Gedanken zurück zum Viertagesmarsch, wo man spätestens alle 500 Meter seine Wasserflasche an Gartenschläuchen füllen konnte und die Zuschauer den Wanderern quasi jeden Wunsch von den Lippen ablasen. Hier fand man nichts dergleichen. Ich schlurfte frustriert durch die Nacht und selbst die beleuchteten Ortschaften konnten mich nicht so recht wiederbeleben.

Nach 25 Kilometern beschloss ich, meinen Füßen etwas Gutes zu tun und von New Balance 1060 auf New Balance 753 zu wechseln – leider viel zu spät. Es lief zwar dezent besser, aber die Luft war irgendwie raus. Da half es auch wenig, dass es bei Kilometer 24 und bei Kilometer 32 wieder ausreichend Wasser und Verpflegung gab. Hier hätte ich eigentlich schon aussteigen müssen. Ein kleines Stückchen Restmotivation führte mich allerdings noch bis zur ersten Brauerei bei Kilometer 40. Entgegen anderslautenden Gerüchten schmeckte das Bierchen richtig gut und ich fand es schade, dass meine Reise in diesem Jahr just an der Stelle enden musste, wo die Atmosphäre zum ersten Mal richtig angenehm und inspirierend wirkte.

Der Ausstieg selbst funktionierte problemlos. Ich meldete mich an einer Servicetheke und 5 Minuten später saß ich bereits im Sammeltaxi nach Bornem. Obwohl bei der Dodentocht traditionell viele Wanderer vorzeitig aussteigen, fuhren um diese Zeit noch keine Transferbusse zu den Parkplätzen. So humpelte ich noch gut 3 Kilometer zum Auto und trat die Heimreise an.

Die Dodentocht hat mir in diesem Jahr definitiv keinen Spaß gemacht. Meine Teilnahme war aber trotzdem nicht ganz nutzlos. Nun weiß ich, dass ich beim nächsten Versuch einiges anders machen muss:

Ich sollte einen Tag früher anreisen, richtig ausschlafen und am Tag vor dem Marsch nach allen Regeln der Kunst rumgammeln. Schuhexperimente haben auf einem 100-Kilometer-Marsch nichts verloren. Um zu verhindern, dass ich alte Blasen reaktiviere, sollte ich lieber großzügig tapen. Statt der Ersatzschuhe kann ich dann lieber eine Literflasche Wasser für Durststrecken im Rucksack mitnehmen. Vor allen Dingen aber sollte ich mich im Vorfeld nicht der Illusion hingeben, in Bornem quasi die Miniausgabe der 4daagse erleben zu können. Solchen Erwartungen kann die Dodentocht nicht ansatzweise gerecht werden.

Einen positiven Effekt hatte mein Dodentocht-Abbruch auf jeden Fall: Nach langer Abstinenz habe ich heute mal wieder meinem Orthopäden „guten Tag“ gesagt und setze die viel zu lange gebläute Stoßwellentherapie fort. Auch eine schicke sensomotorische Einlage wird hoffentlich dazu beitragen, dass Langstreckenwandern künftig wieder zu einem ungetrübten Genuss wird. Vielleicht gibt es ja bereits im nächsten Jahr positiveres aus Bornem zu vermelden... ;-)

Stimmungsvolle Finisher-Berichte gibt es übrigens hier und hier.

Bis bald
Georg

Montag, 2. August 2010

Vier Tage im Juli

Ende Juni 2010

Training ist das, was man tut, wenn man sonst nichts Besseres vorhat. Zumindest verlief mein Walking-Jahr bislang nach dieser Devise. Ein paar Mal Eddi freitags von der Arbeit abgeholt, einmal Urlaub genommen und 50 Kilometer nach Düsseldorf gewandert, einmal 42 Kilometer beim Kulturrun absolviert – macht alles in Allem knapp 500 Kilometer und damit ziemlich genau ein Viertel des Vorjahrestrainings. Da trifft es sich gut, dass Eddi eine Woche nach Berlin zur Fortbildung muss und ich dort währenddessen ein wenig Aktivurlaub machen kann. Wenn schon die Aussicht auf den bald bevorstehenden Viertagesmarsch nicht meinen Trainingsfleiß wecken kann – der Mauerweg schafft es garantiert...

Gesagt getan: Während Eddi sich fleißig weiterbildet, überwinde ich die chronifizierte Bewegungsabstinenz und erwandere an 2 Tagen die Hälfte des Mauerwegs. So richtig flüssig läuft das nicht bei 35 Grad im (vorwiegend nicht vorhandenen) Schatten, aber es stimmt mich zuversichtlich für das niederländische Mammutprogramm. Wie schön man im Urlaub und beim Wandern abschalten und die Zeit vergessen kann, merke ich erst, als ich am Ende der zweiten Etappe den Reichstag erreiche und mich darüber wundere, wie viele Fernsehteams und Personenkraftwagen der Oberklasse sich hier so tummeln. Erst nachdem mir von kinogroßen Leinwänden die Namen Wulff und Gauss und das Wort Wahlgang entgegenschallen, dämmertmir, dass an diesem Tag offenbar keine reguläre Bundestagssitzung stattfindet.


18.07.2010

Kurz vor dem Viertagesmarsch nutzen wir (Eddi, Martin und ich) die letzte Gelegenheit, ein lockeres entspanntes Wandertraining in stimmungsvoller Atmosphäre zu absolvieren. Zusammen mit ca. 3 Millionen anderen Besuchern nutzen wir die Gunst der Stunde und schauen uns mal in aller Ruhe die Autobahn A40 an, die im Rahmen der Aktion Kulturhauptstadt für insgesamt 6 Stunden gesperrt ist. Im Vorfeld schauen wir uns im Internet die Leserbriefe der Bedenkenträger an, die „so eine Kommerzveranstaltung boykottieren“ wollen und keine Lust haben, „mit ihren Kindern über den Giftasphalt“ zu laufen. Zurück in die Realität: Es ist ein großartiges Erlebnis, 20 Kilometer auf solch einer ungewöhnlichen Wanderstrecke zurückzulegen. Die Stimmung ist hervorragend, die bei der Hitze unerlässliche Getränkeversorgung ist sehr gut organisiert und erfreut durch bezahlbare Preise. Allein auf der sogenannten Mobilitätsspur ist weniger Mobilität angesagt, als der Name vermuten lässt, da sich offenbar zu viele Besucher gleichzeitig für das Erkunden der Autobahn per Fahrrad entschieden haben.



19.07.2010

Wir sind in Nijmegen eingetrudelt. Auf dem Programm stehen heute Startunterlagen holen und früh schlafen gehen.

Anders als in den letzten Jahren gibt es für jeden Wanderer zur Registrierung keine Laufkarte, die man sich umhängen und abends ablegen kann, sondern ein dauerhaft während der vier Tage zu tragendes Armband. Abgesehen davon, dass ich meine Zweifel habe, ob das Teil auch nach vier Tagen und Nächten mit allen Wasser-, Schweiß- und Knickspuren noch lesbar sein wird, trägt es sich nicht gerade komfortabel.
Im Hotel erfahren wir per Zufall, dass die Marschleitung beschlossen hat, den ersten Tag bereits um 3 Uhr morgens zu starten, da es mittags sehr heiß werden soll und man offenbar die Erfahrungen aus dem Jahr 2006 nicht erneut machen möchte. Damit rückt dann auch Teil 2 des vorgenommenen Tagesprogramms noch mehr in den Fokus.




20.07.2010

Um ein Uhr aufzustehen klappt erstaunlich gut. Nach einem reichhaltigen Frühstück und einer kurzen Bahnfahrt bin ich pünktlich am Start. Martin und ich machen den fatalen Anfängerfehler, uns nicht direkt frontal zum Starttor, sondern in einem Seitenarm der großen Menschenschlange aufzustellen. Wir bezahlen dies mit einer Wartezeit von 25 Minuten; allerdings werden wir reichlich entlohnt, da wir so noch einen Spaßvogel kennenlernen dürfen, der quasi ohne Training auf gut Glück nach Nijmegen angereist ist. Gewandert ist er ach schon mal – so ca. 200 Kilometer. Mehr als 10 Kilometer am Stück hätte er aber noch nicht gemacht. Da sind 4 x 50 Kilometer sicherlich genau das Richtige für ihn. Wir begleiten ihn nicht lange, da wir nicht zugegen sein möchten, wenn er feststellt, dass die Mitnahme einer Trinkflasche oder eines Blasenpflasters nützlich gewesen wäre.

Die Entscheidung, früh zu starten, sorgt dafür, dass wir bei angenehmen Temperaturen die Hälfte der Strecke absolvieren können. Alles ist wie gehabt: Trotz nachtschlafender Stunde ist in den kleinen Ortschaften, die wir durchqueren, bereits die Hölle los. Voll aufgedrehte Musikanlagen geben uns den Wandertakt vor, die Leute entlang der Strecke jubeln uns zu und halten Wasserschläuche bereit, um unsere Trinkflaschen stetig neu zu füllen.

Kurz vor Elst wird es richtig warm. Zu diesem Zeitpunkt sind noch zwanzig Kilometer zu wandern. Irgendwo im Bereich von gut 6 km/h habe ich meine Wohlfühlgeschwindigkeit gefunden; allerdings wird nun jeder Kilometer anstrengender. Um uns Erfrischung zu spenden, werden wir von den Zuschauern mit Wasser bespritzt. Ich versuche, diese Art der Erfrischung zu meiden, da es sicherlich nicht nur Vorteile hat, mit nassen Klamotten zu wandern.

Pünktlich zur Mittagshitze erreiche ich den finalen Deich, auf dem man 5 Kilometer lang ohne Schatten wandern muss. Vor diesem schwierigsten Stück der ersten Etappe wartet Eddi und sorgt bis ins Ziel dafür, dass ich mich nicht zu doll auf die Hitze und die schwerer werdenden Beine konzentriere.

Zurück im Hotel suche ich ziemlich bald die Augenlider nach inneren Verletzungen ab. Das Ganze jetzt noch 3 mal – das kann ja heiter werden...


21.07.2010

Am zweiten Tag soll es nur knapp dreißig Grad werden. Dem Veranstalter erscheint dies kühl genug, um die Startzeiten nicht zu ändern. Martin und ich stellen uns dieses Mal frontal zum Starttor auf und sind bereits um 5 nach vier unterwegs. Nach wenigen Minuten treffen wir Tom aus dem Runnersworld-Forum. Er war am ersten Tag ein halbes Stündchen vor mir im Ziel und ist guter Dinge, dass die 4daagse einen angenehmen Verlauf nehmen. Martin erläutert ihm, welche attraktiven Wanderungen jenseits der 50 Kilometer es in der näheren Umgebung so gibt, während ich mich langsam warm wandere.

Ab Kilometer 10 geht es ein Stückchen querfeldein. Wenige Zuschauer säumen die Strecke. Dafür hat man Chance auf eine gratis Fußmassage durch den einen oder anderen kleinen Stein, der sich ins Schuhwerk verirrt. Steine rausschütteln heißt Pause; Pause unterbricht den Wanderfluss; also lässt man die Steinchen so lange durchs Schuhwerk wandern, bis sie an einer Stelle sind, wo sie nicht übermäßig stören.

Eigentlich soll es im Laufe des Tages ein Unwetter geben. Also bin ich bemüht, den öden langen Deich zwischen Kilometer 20 und 30 schnell hinter mich zu bringen. Wie jedes Jahr treffe ich die Flensburgerin, die in der Kneipe auf dem Deich Pause macht. Ihr Mann und sein Kumpel dehnen die Pause noch etwas; sie wandert mit mir weiter. Ihr Motto: „Was ich hab, das hab ich...“ In diesem Jahr müssen wir uns schnell voneinander verabschieden. Knapper 8-Minuten-Schnitt ab Kilometer 25 war einmal – damals, als ich noch trainiert habe.

Das Unwetter bleibt aus. Stattdessen brennt die Sonne gnadenlos auf uns nieder. Ein kurzweiliges stimmungsvolles Luftholen gibt es in der Stadt Wijchen, die wir im Zickzack durchqueren und in der traditionell die Hölle los ist. Dann werden die Beine schwer, der Kopf heiß und die Sehnsucht nach dem Ende der Etappe riesengroß. Glücklicherweise gibt es hier ein Pröbchen Coke, dort ein Pröbchen alkoholfreies Weißbier und natürlich jede Menge Wassernachschub aus den Gartenschläuchen der Anwohner.

Einen Kilometer vor dem Ziel wartet Eddi in der Sonne bratend auf ihren lahmenden Wanderer. Wir erreichen das Ziel um zwanzig vor zwölf – 20 Minuten vor Öffnung der Zielhäuschen. Während wir warten, sehen wir, wie sich ein Teilnehmer das Pulsbändchen abreißt. Ich nehme mir vor, eine Entscheidung über Weitermachen oder Aufhören nicht direkt nach dem Zieleinlauf zu treffen.


22.07.2010

Heute wartet die kürzeste und zugleich schwerste Etappe auf uns: 48 Kilometer und sieben Hügel kurz vor Schluss. Ich fühle mich gut und bin voller Tatendrang. Allein der Sonderzug von Cuijk nach Nijmegen hat etwas dagegen, dass ich diese Energie ungefiltert auf die Strecke loslasse. So erreiche ich den Startbereich erst gegen viertel nach vier. Martin denkt nun wahrscheinlich, dass ich für Donnerstag und Freitag entspannte Urlaubstage eingeplant habe.

Um den späten Start zu kompensieren, vergesse ich für einen Moment, dass dies bereits der dritte Tag ist und beginne bereits ab dem ersten Kilometer mit Überholmanövern. Es läuft gut und bei angenehm mildem Wetter durchqueren wir einige kleine Ortschaften mit hübschen Einfamilienhäusern. Einige von ihnen sind „te koop“. Das wäre doch mal was für den Lebensabend: ein Häuschen auf der 4daagse-Strecke, vor dem man im Lehnstuhl im eigenen Garten sitzen und die schwitzende teils humpelnde Meute mit Nahrung und Getränken ein wenig glücklich machen kann.

Genug phantasiert, Georg. Heute ist Wandern angesagt – und das klappt außerordentlich gut. Es ist kurz vor halb neun und ich habe bereits die Hälfte der Strecke hinter mir. Zumindest ist das die Botschaft auf dem Schild, das auf das kleine verlorene Nest bei Kilometer 25 irgendwo im Niemandsland hinweist.

Danach kommen eigentlich die einsamsten und langweiligsten 10 Kilometer der 4daagse. Nicht so heute: Zunächst treffe ich einen Schweizer, der mir begeistert von seinen Erlebnissen in Biel erzählt. Dann begleitet mich ein gebürtiger Kölner mit indonesischen Eltern, der nun in Nijmegen 300 Meter vom Start entfernt wohnt. Er berichtet von seinen bisherigen 10 Teilnahmen. In diesem Jahr möchte er das letzte Mal dabei sein, da es für die 11. Teilnahme einen goldenen Orden mit Krönchen gibt und dann bis zur 40. Teilnahme nur noch Zahlen. Er hätte ja schließlich noch viele andere Hobbys. Überhaupt wird bei allen Gesprächspartnern nur die Frage gestellt, wie oft man teilgenommen hat. Dass die Zahl der Teilnahmen sich von der Zahl der erfolgreichen Teilnahmen unterscheiden kann (wie bei mir), scheint für die meisten unvorstellbar zu sein.

Obwohl ich recht untrainiert bin, inspirieren mich die Bergaufstrecken. Mein Begleiter merkt, dass ich schneller gehen möchte und wünscht mir viel Glück. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, die Hügel hinaufzugehen und von den dicht an dicht stehenden Campern entlang der Strecke lautstark angefeuert zu werden.

Nach dem letzten Berg wartet Eddi auf mich. Zusammen genießen wir die letzten Kilometer durch Nijmegen. Es bringt auch nichts, nun auf Tempo zu gehen, da es in gemächlichem Tempo eine Punktlandung zur Öffnung der Zielhäuschen wird.


23.07.2010

Tag 4!
Vor den 4daagse hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mir prognostiziert hätte, dass ich an diesem Tag noch dabei bin. So richtig rund läuft es nicht, insbesondere beim Anlaufen nach der Zugfahrt. Auf dem Weg zum Start ermuntert mich ein Zuschauer angesichts meines Wanderstils mit den Worten „So möchtest du 50 Kilometer schaffen?“ Manchmal ist es nicht schön, Niederländisch zu verstehen... ;-)

Martin freut sich, dass ich wider Erwarten doch noch dabei bin. Wir gehen äußerst gemächlich los. Kurz nach dem Start treffen wir Tom, der sich an den ersten Tagen doch wohl etwas übernommen hat. Er möchte jetzt nur noch ankommen – Zeit ist egal. Zu dritt schlendern wir gemächlich durch Gelderland, bis ein Trüppchen britischer Soldatinnen mit 9-Minuten-Schnitt dafür sorgen, dass unsere Lebensgeister zurückkehren. Martin und ich beschleunigen und trällern ein paar blutrünstige Liedchen mit. Kurz vor Kilometer 10 bei Martins zweiten Päuschen mache ich mich aus dem Staub. „Was ich hab, das hab ich.“ kommt mir in den Sinn.

So richtig attraktiv ist die Strecke nicht. Wir durchqueren nur wenige kleine Orte, dann folgen wieder Strecken mit viel Landschaft.

Dieses Mal habe ich mich mit Eddi am Bahnhof in Cuijk verabredet. Bei meiner Ankunft stelle ich fest, dass dies kein sehr guter Treffpunkt ist. Die Schranke ist gerade zu, so dass sich viele Wanderer sammeln; Hundertschaften Zuschauer sind bereits am Bahnhof versammelt. Trotzdem findet Eddi mich im Gewühl. Wir bahnen uns den Weg durch Cuijk. Ich habe zwar noch nie die Tour de France live erlebt – Alpe d'Huez kann aber nicht stimmungsvoller sein als der Walk durch die engen Gassen von Cuijk. Zur Krönung überqueren wir die Maas über eine Ponton-Brücke, die das niederländische Militär zuvor gebaut hatte. Das ist gleichzeitig der Moment, in dem ich realisiere, dass ich mein Blasenpflaster vor dem Start nicht neben, sondern auf die Blutblase vom dritten Tag hätte kleben sollen.

Entlang der Maas nähern wir uns Nijmegen. Es wird belebter, es wird lauter, mehr Zuschauer säumen die Straße. Da ist das Stadtschild Nijmegen, da ist das Schild „Via Gladiola“. Kondition und Kraft sind auf Null. Das was mich nun antreibt, sind der pure Ehrgeiz und die einzigartige Atmosphäre entlang der Strecke. Wenn man hier angekommen ist, gibt man nicht mehr auf.



Es ist kurz nach zwölf. Stolz hole ich mir meine goldene 3 ab. Ich freue mich darauf, die Füße hoch zu legen, ein Bierchen zu trinken und in aller Ruhe im Lokalfernsehen bis 18 Uhr den Zieleinlauf der übrigen Teilnehmer zu verfolgen.


01.08.2010

Ich ertappe mich dabei, dass ich die Internetseite der Dodentocht aufgerufen habe. Die findet in zwei Wochen statt. Obwohl mir ein Bericht aus den Vorjahren viel Mut macht, traue ich mich wohl in diesem Jahr noch nicht, wobei: Trainiert habe ich ja jetzt ein wenig...


Bis bald
Georg

Sonntag, 2. August 2009

The rising sun's a beautiful thing - early in the morning...

Die ehemaligen Reiseweltmeister sind sesshaft geworden. Es ist richtig klasse, reisen zu können, wenn wir Lust dazu haben und es sein zu lassen, wenn uns der Sinn nach Entspannung steht. So richtig aktives Entspannungsprogramm hatten wir für die vorletzte Woche gebucht – die 4daagse in Nijmegen.

Während Eddi wegen ihres deutlich längeren Arbeitswegs nur an Wochenenden ein paar Trainingseinheiten absolviert hatte, war ich fast täglich unterwegs. Es beflügelt halt, nachmittags Eddis Arbeitsweg abzuschreiten, während sie mir mit dem Auto entgegenkommt. So kamen montags bis donnerstags jeweils 12 Kilometer zusammen, freitags ca. 25 Kilometer. Zwei Dinge ließen mich zweifeln, ob ich die 4daagse in diesem Jahr schaffen würde: Zum einen sind meine Gräten immer noch sehr launisch und zum anderen sind maximal 25 Kilometer Training nicht unbedingt ausreichend, um 4 mal 50 Kilometer ohne Probleme durchmarschieren zu können.

So war es keine Überraschung, dass ich bereits am ersten Tag recht massive Probleme bekam. Die Muskeln und Gelenke zickten rum und unter meinem kleinen Zeh bildete sich recht rasch eine große Blase. Diese Anlaufschwierigkeiten wurden jedoch durch die Stimmung am Wegesrand und die malerische Strecke bei Sonnenschein und blauem Himmel mehr als kompensiert. Eddi sorgte auf den ersten 30 Kilometern für die eine oder andere Tempoverschärfung und so flogen die Bäume, Häuser und Zuschauer nur so an uns vorbei. Lediglich die reichlich angebotenen Lakritzstückchen, Gurkenscheiben, TUC-Plätzchen, Schokostückchen und vieles mehr hielten uns davon ab, dass wir tempomäßig überdrehen oder unterzuckern. Auch für Wassernachschub wurde gut gesorgt, da reichlich Gartenschläuche zur Befüllung der mitgebrachten Flaschen vorhanden waren.


Zwanzig Kilometer vor Schluss zeigte sich Eddi zunehmend interessiert an einer etwas längeren Pause. Zuvor waren wir fast alle 20 Meter an einer Raststelle mit schattigen Plätzchen vorbeigekommen – nun waren sie wie vom Erdboden verschwunden. Nach efektiven 5 und gefühlten 50 Kilometern war es endlich so weit. Wir fanden nicht nur eine geeignete Verpflegungsstelle, sondern zugleich noch die mit dem billigsten und besten Kaffee der gesamten 4daagse. Auch ein salziges Süppchen kam zu diesem Zeitpunkt sehr gut an. Frisch gestärkt ging es auf die letzten Kilometer. Nach 2 Kilometern waren die Muskeln wieder einigermaßen in Schuss, aber der 6 Kilometer lange Deich kurz vor Schluss zog sich schier endlos hin.

Kurz vor 15 Uhr erreichten wir nach 53 Kilometern das Ziel. Eddi hatte ihren Plan, einen Tag komplett durchzuhalten, in die Tat umgesetzt, bei mir zeigten sich bereits jetzt deutliche Verschleißerscheinungen, nur Martin hüpfte um uns herum, als habe er gerade das Geheimnis der Schwerelosigkeit entdeckt.

Mittwoch klingelte der Wecker erneut gnadenlos um kurz nach zwei. Meine Muskeln ließen mich wissen, dass Urlaub schön ist und 4daagse doof sind. Ich hörte nicht auf sie und stand pünktlich um vier wieder mit Martin im Startbereich
.

Bis Kilometer 18 sind Martin und ich mit dem Strom mitgeschwommen, um dann unser erstes Kaffeepäuschen zu machen. Damit die Muskeln sich nicht verküzen, machte ich ebensolches mit der Pause und legte von Kilometer 18 bis 40 mal eine Schüppe drauf . Angegammelte Sehnen scheinen es zu mögen, wenn sie richtig warm sind, denn es gab keine nennenswerten Probleme. Das langgezogene Stück über einen Deich und quer durch die Felder, das ich aus den Vorjahren als etwas öde in Erinnerung hatte, konnte ich so in vollen Zügen genießen - schließlich gab es zur Belohnung eine fast halbstündige stimmungsvolle Ortsquerung durch Wijchen. mit heißen Rhythmen und allerlei Schnuckerkram. Lediglich auf das kleine kostenlose Pröbchen Schoko-Sojamilch hätte ich verzichten sollen. Zusätzliche Boxenstopps waren nämlich eigentlich nicht eingeplant... Auch dass gerade bei Kilometer 40 die Sonne noch mal so richtig raus kam, fand ich entbehrlich.

Es war außerordentlich angenehm, mal relativ vorne mitzuwandern, da das Feld dort recht dünn war und hierdurch der eine oder andere Bodycheck von hinten entfiel. Kurz vor Schluss ging's noch eine kleine Anhöhe hoch, die mich jedoch gar nicht so recht angestrengt hat, da eine englische Armeeformation wie gerufen kam und mir die Gelegenheit gab, ein fröhliches blutrünstiges Liedchen mitzuträllern (...early in the morning...)

Zehn vor zwölf ließ ich im Zielbereich mein Kärtchen abstempeln, holte Eddi vom Bahnhof ab und so waren wir pünktlich zu Martins Zieleinlauf zurück.

Im Zug zu sitzen, ist wunderschön - aufzustehen allerdings nicht so. So dauerte der Weg vom Bahn hof zum Auto in Cuijk nur unerheblich kürzer als die 49 Kilometer. Das musste bis morgen wieder besser werden.

Donnerstag - Murmeltiertag in den Niederlanden: Punkt 2 ging der Wecker und das Verlangen liegenzubleiben war unwiderstehlich. Mit geschlossenen Augen legte ich dennoch den Weg zur Dusche leicht humpelnd zurück. Das konnte ja heiter werden heute - war wohl ein bisschen zu schnell gestern, nicht wahr? ;-)

Frühstück, Privattaxi zum Bahnhof und dann ein bisschen Wandertraining auf dem Bahnsteig. Klappt doch besser als gefürchtet.

Im Startbereich wartete Martin und kündigte gleich an, heute einen Gang zurückzuschalten, da ihn eine leichte Erkältung plagte. So trennten sich unsere Wege bereits bei Kilometer 2.

Trotz einer großen Zahl Abbrecher war die Strecke immer noch extrem voll. Da das leichte Einlatschen auch die letzten Zipperlein beseitigt hatte, bemühte ich mich, schnell nach vorne zu kommen - allerdings wurde das Feld nur äußerst langsam dünner. Konditionsprobleme kündigten sich nicht an. Zwar betrug die Luftfeuchtigkeit 90%, aber die angenehmen 16 Grad lieferten optimale Bedingungen.

Sich vom Start wie ein Irrer durchs Feld zu pflügen, hat nicht nur Vorteile. Jedes Dorf, das wir durchquerten, befand sich nämlich noch im Tiefschlaf. Keine Musik, keine aufmunternden „Success“-Rufe und vor allem kein Lakritz und keine Gurkenscheiben. So musste ich mich an den Zahlen berauschen, die mein GPS-Gerät ausspuckte: Kilometer 13: 7:35 min, Kilometer 14: 7:55 min.... Ein wandererfahrener Niederländer kündigte an, dass die Kilometer 20 bis 30 so richtig öde würden. Für den Weg durch Groesbeek und die Hügelchen rauf und runter prognostizierte er Spaß pur. Die Prognosen deckten sich ziemlich genau mit der erlebten Realität. Ab Kilometer 30 wurde trotz der frühen Uhrzeit kräftig gefeiert. Die geschundenen Waden hatten eine Menge zu tun, um mein Normalgewicht + X die Hügel hochzuhieven - aber wer nimmt schon Tempo raus und hört auf zu lächeln, wenn beidseitig Wohnwagen an Wohnwagen parkt und die Zuschauer jeden Wanderer die Hügel raufbrüllen.

Für Mittwoch, Donnerstag und Freitag war Dauerregen angesagt - 6 Kilometer vorm Ziel war's dann so weit. Es kübelte wie aus Eimern und reduzierte die ohnehin zu dieser Uhrzeit recht dürftige Zuschauerschar. Drei Kilometer vor dem Ziel sammelte mich Eddi ein - so wurde auch dieser letzte verregnete Teil noch zum Erlebnis.

Punkt 10 nach 11 waren wir im Zielbereich und durften noch 20 Minuten zusammen mit einem kleinen Häuflein weiterer Übermotivierter warten, bis die Zielregistrierung öffnet.

Am Montag hatte ich große Bedenken, ob mein Körper vier Tage wandern möchte – nach 3 erfolgreich absolvierten Tagen freute ich mich einfach nur noch auf 50 Kilometer schlendern und einen weiteren unvergesslichen Zieleinlauf auf der Via Gladiola.

Dauerregen und Unwetter hatte uns der Wetterdienst für Freitag versprochen. So musste die Kappe zu Hause bleiben und Platz für den Regenponcho machen.

Eigentlich sollten heute die Sandalen meine Füße im Rahmen des Möglichen zieren, da ich aber noch nie 50 Kilometer am Stück damit zurückgelegt hatte, entschied ich mich wieder für die altbewährten NB 753 nebst Einlage.

Nach 3 Tagen vergeblicher Suche hatten Martin und ich endlich den Startblock erwischt, der am schnellsten abgearbeitet wurde. So waren wir schon um kurz nach vier auf der Strecke. Gemächliches Genießen war angesagt, denn Tag 4 ist stimmungsmäßig nicht zu toppen - da möchte man doch möglichst viel von mitbekommen.


Auf dem ersten Kilometer übergaben die Feiernden des Vorabends den Staffelstab wieder an die Wanderer und feuerten uns lautstark an. Danach wurde es ruhig und wir hatten Zeit, uns langsam warm zu machen. Funktionierte alles wunderbar und die Kilometer schmolzen dahin. Zwischen Kilometer 15 und 25 war recht wenig Publikum anwesend. Über eine lange Geradeaus-Strecke quälten wir uns von Dorf zu Dorf. Eigentlich war perfektes Wanderwetter (bisschen bewölkt und nicht zu warm) - aber irgendwie machte sich eine Art Lustlosigkeit bei mir bemerkbar. Schwer zu sagen, ob die recht öde Strecke hieran schuld war oder das recht gemäßigte Tempo motivationshemmend wirkte...

Die Lebensgeister erwachten wieder, als wir eine kleine Kaffeepause in Beers einlegten. Nach 2 Minuten waren der Kaffee leer, der Akku wieder voll, ein paar Worte mit den edlen Spendern gewechselt und die Muskeln noch warm. Konnte weiter gehen - wenn wir nicht hinter der nächsten Ecke Bekannte aus den Vorjahren getroffen hätten. Martin wollte noch warten, bis der letzte der Gruppe aufbruchfertig war - der hatte aber gerade erst die ersten Löffel von einem heißen Süppchen verdrückt. So trennten sich hier unsere Wege.

Zusammen mit den beiden Flensburgern kam ich langsam wieder in Schwung. Da wir den ersten Teil der Strecke recht gemächlich zurückgelegt hatten, waren die Zuschauerränge bereits sehr gut gefüllt. In Cuijk stand das nächste Highlight der Strecke an. Es ging mitten durch die Stadt und über eine Pontonbrücke über die Maas. Jetzt mussten wir nur noch zurück nach Nijmegen.

Die Flensburger hatten sich recht bald nach vorne von mir verabschiedet, da sich meine Beine nach den Pausen richtig schlapp fühlten und mein Tempo schnell langsamer wurde.

Kurz vor der Via Gladiola wartete Eddi auf mich. Im Spaziergängertempo mit zusammengebisse nen Zähnen zogen wir vorbei an tausenden feiernder Zuschauer. Langsam kehrten die Lebensgeister zurück, auch inspiriert durch äußerst marschfreundliche Musikdarbietungen und strahlenden Sonnenschein.

Da langsam wandern nicht so recht klappen wollte, zogen wir drei Kilomter vor Schluss noch einmal das Tempo an. Das fühlte sich gut an und war ein perfekter Abschluss für richtig tolle vier Tage.

Eddis Berichte von den vier tollen Tagen findet ihr hier, hier und hier.

Dienstag, 6. Januar 2009

Alles neu macht der Januar

Geschafft - die Flughafenpendelei hat ein Ende. Nach Landung des letzten Fliegers am 18.12.2008 in Toulouse sind wir fortan nur noch mit sehr irdischen Verkehrsmitteln unterwegs. Wie irdisch diese Verkehrsmittel sein können, merkten wir in aller Breite bei unserer Rückfahrt vom Weihnachtsurlaub nach Toulouse. Um Paris zu meiden, hatten wir uns für den Weg über Luxemburg entschieden. Dieser war nur unerheblich länger und ersparte uns die Rush-Hour in der großen Metropole. Zur Vertiefung unserer dürftigen Französisch-Kenntnisse hörten wir den Verkehrsfunk. (Schließlich weiß man ja nie, ob man dieses Land nicht eines fernen Tages doch noch mal betreten sollte.) Dort war stetig die Rede von einer gesperrten Autobahn nach Bordeaux und Neuschnee im Zentralmassiv - aber das betraf uns ja nicht. Schließlich wollten wir weder nach Bordeaux noch durch die Alpen, wo ich das Zentralmassiv kurzerhand in meinem Geiste hinverlegte. Wenige Augenblicke später wurde uns dann klar, dass wir auf dem Weg nach Toulouse doch ein Stückchen Bordeaux-Autobahn hätten fahren müssen. Glücklicherweise gab es eine Umleitung über die A75 nach Montpellier. Etwas irritiert waren wir über den Hinweis, dass LKWs diese Autobahn nicht benutzen durften, dachten uns jedoch nichts Böses dabei. Wenig später hatte ich ausreichend Gelegenheit, bei 60 km/h auf der einzig schneefreien Spur meine Wissenslücken in französicher Geographie zu schließen.

Auch langsam erreicht man sein Ziel - und so verbringen wir nun gemeinsam die letzten Tage in Südfrankreich, ehe es am nächsten Wochenende mit Sack und Pack gen Heimat geht. Eddi muss diese Woche noch einige Stündchen Flugzeuge bauen - ich beschäftige mich derweil mit anderen Dingen wie Blog schreiben und schneefreie Straßen erkunden.

Vor der Abreise nach Toulouse hatte ich noch einmal meinen Doc konsultiert, der jetzt bei der Behandlung meines linken Fußes eine etwas härtere Gangart anschlägt. Zudem habe ich mir ein Paar neue Adidas Response Walk Schuhe geleistet, die im Sportgeschäft den Eindruck hinterließen, dass sie die kritischen Stellen ein wenig entlasten. Bereits die gemeinsamen ausgedehnten Spaziergänge mit Eddi am letzten Wochenende hinterließen keine nennenswerten Beschwerden - ein Gefühl, das ich aus den letzten 7 Monaten nicht mehr kannte.

Eigentlich hatte ich mich bereits damit abgefunden, den Wiedereinstieg in regelmäßige sportliche Betätigung in diesem Jahr allenfalls auf dem Fahrrad oder im Schwimmbad schaffen zu können. Nach den guten Erfahrungen am Wochenende wurde ich jedoch gestern ein wenig übermütig. So schnallte ich mir den Forerunner um, den Rucksack mit Walkerutensilien auf den Rücken und los ging's. Ich erinnerte mich daran, dass wir im letzten Jahr eine malerische Strecke östlich der Garonne nach Lacroix-Falgarde und westlich der Garonne über Portet zurück nach Toulouse entdeckt hatten. Was mich beim Losgehen ein bisschen nachdenklich stimmte, war zum einen die Tatsache, dass die erste Hälfte der Tour ein hübsch welliges Profil hatte und zum anderen, dass die Gesamtstrecke so ungefähr einem Marathönchen entsprach. Das zweite Problem war kein richtiges, da ab Kilometer 28 eine Buslinie die Strecke begleitete.

Bei 3 Grad und bedecktem Himmel ging's los. Die ersten Kilometer waren äußerst kurzweilig, da mir in der Nähe der Uni noch jede Menge Studentenvolk entgegenkam. Als ich jedoch meinen ersten Aufstieg nach Pouvoirville absolvierte, war die Straße bereits menschenleer. So durfte ich in aller Ruhe genießen, wie mir trotz der Kälte langsam wohlig warm wurde. Es ist halt zu verlockend, die Aufstiege hochzurasen wie ein Halbgescheiter, wenn's ausnahmsweise nicht im Fuß ziept und die kleiner werdenden Zahlen auf dem Forerunner zusätzlichen Schwung verleihen. Überhaupt war ich sehr erstaunt, wie fit ich trotz des minimalen Trainings der letzten Monate war. Das Einzige, was mein Wohlbefinden nachhaltig beeinträchtigte, war die Hundepopulation in den Gärten der Einfamilienhäuser, an denen ich vorbeischlenderte. Alle paar Meter wurde ich aus einer Mischung von Gurgeln, Knurren und Kläffen begrüßt. Glücklicherweise waren die meisten Gartentore geschlossen, so dass die Kontaktaufnahme nur akustischer Natur blieb.

Nach Kilometer 28 überquerte ich die Garonne und machte eine kurze Pause zum Sockenwechsel, da sich zwei bis drei Stellen unter meinen Füßen nicht mehr so anfühlten, als sei ich gerade erst gestartet. Zu meiner Überraschung beschränkte sich das sichtbare Ergebnis der Inspektion jedoch auf eine Blase am rechten kleinen Zeh. Zwar passt mein halber Hausstand in den Wanderrucksack, den ich bei mir führte, für Blasenpflaster hatte ich unglücklicherweise beim Start der Tour keinen Platz eingeplant.

Es tat gut, die letzten Kilometer durch die Innenstadt zu walken. Die Schaufenster und die zahlreichen Fußgänger lenkten mich ein wenig von dem Gedanken ab, dass die Beine nun doch etwas schlapp zu werden schienen. Ein Innenstadtwalk in Südfrankreich gestaltet sich leicht anders als in Deutschland: Während in Deutschland diverse ehrenamtliche Helfer der Exekutive ein wachsames Auge darauf haben, dass selbst die sinnlosesten Lichtzeichen beachtet werden, werden hier die (wenigen) Ampeln von nahezu allen lediglich als grobe und unverbindliche Empfehlung betrachtet und dienen offenbar allein dem Zweck, die Aufmerksamkeit beim Überqueren der Straße zu erhöhen.

Zufrieden wanderte ich sogar noch freiwillig den einen oder anderen Schlenker, damit der Forerunner als Endergebnis 42,2 Kilometer ausspuckte. Nach gut 6 1/2 Stunden erreichte ich das Hotel und belohnte mich mit ein paar Scheibchen frischen Baguettes und einer heißen Dusche. Dort beschloss ich, die restlichen Tage in Toulouse eine ruhige Kugel zu schieben und maximal morgens zum Bäcker zu wandern. Nachdem ich heute wieder gut 22 Kilometer unterwegs war, nehme ich mir das jetzt noch einmal vor...

Gruß aus Toulouse
Georg

P.S. Aktuelle Fotos von der Strecke habe ich nicht gemacht, da das Wetter recht trüb war. Eddis Bericht und Fotos von unserer gemeinsamen Tour auf der gleichen Strecke gibt es hier.

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Walking in Toulouse - ein Frühlingstag im Dezember - 07.12.2008

Ist schon ganz schön lange her, dass ich hier ein paar Zeilen reingeklimpert habe. Grund dafür ist, dass der Hamburger Zwanziger zugleich mit Abstand der längste Walk der letzten 4 Monate war. Seitdem versuche ich, den Ursachen meiner Beschwerden im linken Fuß auf den Grund zu gehen und etwas dagegen zu tun, damit das Walken alsbald wieder so viel Spaß bereitet wie fast durchgehend in den letzten 5 Jahren. Neben meinem guten alten Bandscheibenvorfall hat mein Orthopäde inzwischen eine Achillessehnenansatzverkalkung (jetzt bitte keine despektierlichen Bemerkungen über's Alter... ;-)) geortet, die er mittels Stoßwellentherapie und Infusionen behandelt. Auch neue Einlagen sollen Wunder wirken. Obwohl ich in den letzten Wochen recht brav die Füße still gehalten habe, dauern die Wunder aber wohl doch etwas länger.


Wie dem auch sei: Euphorie versetzt Berge - und da das vergangene Wochenende zugleich das letzte war, an dem Eddi und ich uns am Toulouser Flughafen verabschieden mussten, beschlossen wir, bei strahlendem Sonnenschein wieder ins leichte Walking-Training einzusteigen. So flanierten wir Samstag an der Garonne entlang durch Blagnac zum großen Einkaufszentrum und zurück. Die 15 Kilometer vergingen wie im Fluge und machten Lust auf weitere Touren.


Am Sonntag wollten wir nur mal kurz einen Brief einwerfen. Bei der Gelegenheit fiel uns allerdings auf, dass die Adresse sich im Ostteil der Stadt befand, den wir bei bisherigen Touren sträflich vernachlässigt hatten. So nutzten wir die Gunst der Stunde und ließen uns einfach so durch unbekannte Viertel und über kleine Anhöhen treiben, um ein Flüsschen am Stadtrand zu finden, das wir zuvor auf der Landkarte gesichtet hatten.

Da sich das Flüsschen als wenig attraktives Schlammloch entpuppte, ließen wir es links liegen und erbauten uns an den mediterranen Siedlungen in Balma. Nachdem wir ausgiebig die Dorfidylle genossen hatten, ging die Reise zurück ins Zentrum. Die letzten Meter bis zum Weihnachtsmarkt konnten wir dank der Mittagssonne stilecht im T-Shirt genießen. Der Vin Chaud, den wir uns als Belohnung für unseren kleinen Sonntagswalk gönnten, stellte die Vorweihnachtsstimmung allerdings wieder hinreichend her.


Die 18-Kilometer-Tour hat Lust auf mehr gemacht. Jetzt muss ich zwar erst einmal wieder ein paar Tage kürzer treten, aber ich bin zuversichtlich, dass es bald wieder auf die längeren Strecken geht - nun, da eine andere extrem lange Strecke so gut wie überstanden ist... ;-)

Bis bald
Georg

Dienstag, 2. September 2008

Hamburger Zwanziger - 29.08.2008

Am letzten Wochenende hatten Eddi und ich Großes vor - oder besser gesagt: Die Wandererschar, mit der wir am Freitag losmarschierten, hatte Großes vor und wir wollten sie auf einem Stück ihres Weges begleiten.

Zur Abwechslung mussten wir dieses Mal beide in den Flieger steigen, da Martin seinen 100-Kilometer-Marsch durch Hamburg anberaumt hatte. Obwohl mein Flieger reichlich Verspätung hatte, trafen wir gerade noch rechtzeitig ein, um uns in aller Kürze an Helgas wundervollen Spaghetti zu laben. Dann wurde es auch schon Zeit für die Reise zum Startpunkt an der S-Bahn-Station Wedel.

Einige hoch motivierte 100-Kilometer-Veteranen erwarteten uns bereits. Wenige der Angekündigten fehlten. Ein laues Sommerabendlüftchen und das malerische Elbufer waren unsere steten Begleiter. Selbst ein plötzlich auftauchender Metallzaun war kein wirkliches Hindernis. Während die rheumatischen Greise wie ich kleine Kletterübungen vollführen durften, konnte die Jugend mit den langen Beinen die Sperre einfach mittels eines etwas größeren Schrittes überwinden.


In Blankenese kamen uns haufenweise Jugendliche entgegen, denen wir angesichts der von ihnen mitgeführten Getränke anmerkten, dass sie einen deutlich gemütlicheren Abend an der Elbe verbringen wollten als wir. Im Halbdunkel konnten wir erkennen, dass malerische alte Häuser den Weg säumten.


Kurz vor Altona hatten wir die Gelegenheit, die Teilnehmer der "Mottenburger Meile" anzufeuern, die ebenfalls den Elbuferweg für ihre sportlichen Aktivitäten auserkoren hatten. Kerzen und Fackeln am Wegesrand sorgten für eine stimmungsvolle Atmosphäre.

Unser Quotenläufer Ottoerich (der Gerüchten zufolge weder Otto noch Erich heißt) verabschiedete sich von uns mit einem kleinen Gedicht und wir steuerten zielstrebig die Reeperbahn an, wo Helga uns in der Wohnung einer Bekannten mit Süppchen und Bier erwartete. Für den größten Teil der Gruppe war dies eine erste kleine Stärkung - für Eddi und mich der bereits vorher geplante Endpunkt der Tour.

Die 21,5 Kilometer liefen in meinen einlagefreien Sandälchen recht gut - allein die kurzen Bergaufpassagen zum Schluss mochte meine Achillessehne nicht so besonders. Da ist wohl in der nächsten Zeit neben dem allmählichen Wiedereinstieg ins Walking-Training noch ein bisschen was anderes fällig. Lösungsvorschläge gibt es im Internet ja ausreichend, z.B. hier. Mit ein bisschen Disziplin wird das schon wieder...

Den Rest des Wochenendes widmeten wir der Regeneration. Am Samstag gab es noch ein gemeinsames Mittagessen mit unseren Wanderern, die zu diesem Zeitpunkt zwar schon 80 Kilometer hinter sich hatten, aber ansonsten frisch wie der junge Tag wirkten. Sonntag schauten wir uns dann noch einmal in aller Ruhe die Häuschen in Blankenese an, an denen wir am Freitag abend so achtlos vorbeigehuscht waren. Unser Wochenende endete mit einer romantischen Bootsfahrt fernab von der Hektik der Großstadt.

...und schwupps - plötzlich schreiben wir den 2. September. Das ist jetzt auf den ersten Blick kein besonderer Tag. Für mich ist er jedoch in diesem Jahr sehr wichtig, da ich heute abend beginnen werde, ein kleines unschuldiges Maßband zu verstümmeln. Es gibt halt Dinge im Leben, die viel wichtiger sind als lange Wanderungen, schnelle Marathonzeiten, Medaillen, Pokale und Urkunden...

Dienstag, 26. August 2008

Bike and Walk - 23.-25.08.2008

Es ist schon ein Weilchen her, seitdem Eddi und ich den Zweitagesmarsch gefinished, bzw. den Viertagesmarsch vorzeitig beendet haben. Da meine Fersensporne trotz neuer Einlagen noch ziemlich rumzicken, macht das Training derzeit nicht wirklich Spaß. Da keine gezeiteten Langstreckenwalks mehr anstehen, haben wir in den letzten Wochen die Trainingsdosis ein wenig herunter gefahren. Ausgedehnte Spaziergänge gibt's nur, wenn wir Lust darauf haben - ansonsten kümmern wir uns um die Einrichtung unserer Wohnung und die gemeinsame Zukunftsplanung.



So vergingen die ersten 24 Tage dieses Monats und unser Lauftagebuch August war weit davon entfernt, sich der 100-Kilometer-Marke zu nähern. Da Walken am letzten Samstag nicht so recht mein Ding war, planten wir ein kleines Alternativprogramm, um fit zu bleiben. In Toulouse stehen nämlich seit geraumer Zeit an jeder Straßenecke jede Menge Leihfahrräder herum, die ganz simpel durch dreimaliges Eingeben der Geheimzahl und Drücken eines grünen Knopfes für eine beliebige Dauer von Interessierten ausgelöst werden können. Nachdem wir bereits seit einigen Wochen damit geliebäugelt hatten, dies mal praktisch auszuprobieren, war es am Samstag so weit - und so radelten wir bei milden 24 Grad und einem lauen Lüftchen an der Garonne vorbei nach Blagnac, rund um das Werk eines großen Flugzeugherstellers, durch den Park von Blagnac und schließlich zurück nach Toulouse.



Da der Sattel des geliehenen Fahrrades sich in der Nachbetrachtung nur als mäßig bequem erwies, war es am Sonntag wieder Zeit für einen kleinen Spaziergang. Wir fuhren mit dem Auto ein paar Kilometerchen in westlicher Richtung und erreichten den Foret de Bouconne, in dem viele verschiedene beschilderte Wanderwege zum Flanieren einluden. Da ich nach den Erfahrungen der letzten Wochen zu meinen Einlagen ein etwas gespanntes Verhältnis habe, ließ ich sie einfach mal zu Hause und marschierte ein wenig mit handelsüblichen Trekking-Sandalen. Klappte alles wunderbar und schmerzfrei -bis zu der Stelle, an der wir wohl etwas zu dicht an einem Bienennest, das sich in einem ausgehöhlten Baum befand, vorbeigingen. Eine dicke Biene hatte es sich wohl gleich in meiner Kniekehle gemütlich gemacht, als ich beschloss, diese zum Zwecke der Fortbewegung zu beugen. Die Mischung aus Jucken, taub werden und Brennen, die mich den Rest des Tages begleitete, schob ich innerlich beiseite. Schließlich hatte das Walken mit den Sandalen phantastisch funktioniert - und zum krönenden Abschluss des kleinen Spaziergangs gab es noch einen malerischen Blick auf einen See.


Leider ging das gemeinsame Wochenende mit Eddi wieder viel zu schnell zu Ende, so dass ich bereits am Montag um kurz vor 17 Uhr wieder in Gladbeck war. Ich warf nur kurz mein Gepäck in die Ecke, band mir den Forerunner um, zog die Sandalen an und testete mal ausgiebig, wie es sich mit den Dingern so in der Heimat walkt. Mein Weg führte mich nach Gladbeck-Brauck, Richtung Horst, durch Buer und wieder zurück nach Gladbeck. Nach langsamem Beginn testete ich auch mal zwischendurch eine etwas schnellere Gangart. Zu meiner großen Überraschung blieben nachhaltige Zipperlein aus. Als ich wieder zu Hause eintrudelte, zeigte der Forerunner gut 17 Kilometer bei einem Schnitt von 7:50 min/km an. Ich bin durchaus schon mal länger und schneller gewalkt - insgesamt war ich aber ganz zufrieden mit mir. Jetzt freue ich mich erst einmal auf ein kleines Stückchen Hamburger Hunderter und vor allem auf Eddis Ankunft am Hamburger Flughafen in ca. 66 Stunden... ;-)