Montag, 23. Juli 2007

Per aspera ad astra - 20.07.2007

Der vierte Tag hätte nicht schlimmer starten können. Ich ging wie üblich zum Frühstücksraum, doch niemand vom Hotelpersonal war anwesend. Ohne Frühstück loszumarschieren wäre ja an sich kein Problem, da sich am Wegesrand regelmäßig Verpflegungsstände befinden. Etwas mehr machte mich der Gedanke nervös, dass mein Frühstückszubereiter auch gleichzeitig mein Chauffeur zum Bahnhof Cuijk war. Ich gab ihm ein Viertelstündchen, dann ergriff ich die Initiative und hielt auf der Straße den nächstbesten PKW an. Der Fahrer sträubte sich zunächst ein wenig; als ich ihn jedoch wissen ließ, wie dringend ich nach Nijmegen fahren muss, brachte er mich umgehend zum Bahnhof Cuijk.

Die nächste Herausforderung wartete am Bahnhof Nijmegen auf mich. Das Schließfach weigerte sich hartnäckig, meine EC-Karte zu lesen. Praktischerweise ist der Einwurf von Bargeld bei niederländischen Schließfächern nicht vorgesehen. Zum Glück saß neben dem Schließfach eine Einheimische, die sich auf dem Heimweg von der Vorabendfete befand. Sie half mir mit ihrer Karte aus und wünschte mir viel Erfolg bei der abschließenden Wanderung.

Martin und ich fanden offenbar den richtigen Startbereich, denn bereits um 4:07 Uhr waren wir auf der Strecke. Um uns gleich freizuschwimmen, legten wir wieder den Turbo ein. Nach drei bis vier Kilometern dünnte das Feld merklich aus. Anders als an den anderen Tagen, stießen die Soldaten schon recht früh zu uns. So wurde es nie richtig einsam und wir konnten uns zu noch nachtschlafender Zeit schon ein wenig warm singen.

Nach gut 10 Kilometern trafen wir einen 63jährigen Niederländer, der uns ganz souverän erzählte, dass er bereits eine Woche zuvor einen anderen Viertagesmarsch gemacht und am Wochenende davor an einer 150-Kilometer-Wanderung teilgenommen habe. Sein Psychiater sei jetzt eine Woche in Urlaub und habe ihm vorher gesagt: „Geh mal nach Nijmegen, da sind die anderen Verrückten auch alle – da fällst Du nicht auf…“

Da wir nach wie vor äußerst zügig unterwegs waren, trafen wir wenig später das Flensburger Pärchen, mit dem Martin einen großen Teil der 4daagse vor zwei Jahren schnellen Schritts absolviert hatte. Sie erzählten davon, dass sie kurz nach dem Start an fünfter bzw. sechster Position gewandert seien, ehe sie eine halbe Stunde Pause eingelegt hätten. Im knappen 8er Schnitt flogen die Kilometer nur so vorbei.

Alles lief wie am Schnürchen. Wir konnten das Tempo nach Lust und Laune variieren, mal richtig Gas geben, mal lange Pause machen. Es war schon beängstigend, wie problemlos dieser Viertagesmarsch doch so funktionierte. Dann kam Kilometer 31. Drei junge Damen am Wegesrand boten eine Fußmassage an – leider nicht manuell, sondern mit Hilfe eines elektronischen Gerätes. Martin machte direkt Gebrauch von dem Angebot.

Es folgte eine ausgedehnte Fotosession anlässlich der bevorstehenden Miss-Nijmegen-Wahl. Kurz nachdem wir die jungen Damen verlassen hatten, begann für mich die Zeit, in der mir klar wurde, dass ein Viertagesmarsch über 200 Kilometer kein entspannter Sonntagsausflug ist. Durch die etwas längere Pause hatte sich wohl meine Leistenmuskulatur gekrampft, so dass es in dem Bereich bei jedem Schritt schmerzte. Durch meinen unrunden Gang wurde die Wadenmuskulatur ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Es folgten 10 Kilometer Kampf voller Zweifel, ob ich nicht doch noch kurz vor dem Ziel die Flinte ins Korn werfen müsste. Ich variierte das Tempo von ganz langsam bis ganz schnell und entschied mich danach für die schmerzfreieste Variante. Währenddessen kehrte langsam aber sicher der Respekt vor der insgesamt zurückzulegenden Strecke zurück.

Nach knapp 40 Kilometern überquerten wir die Maas über eine Behelfsbrücke, die vom Militär angelegt worden war. Jetzt lagen nur noch die schönsten 10 Kilometer der Tour vor uns. Wir machten eine kurze Pause, um uns das erste Softeis des Tages zu genehmigen. Das nahe Ziel und der wohlbekannte Geschmack auf dem Gaumen schien meine Psyche ausgetrickst zu haben, denn nach der Pause konnte ich wie von Zauberhand wieder schmerzfrei weitergehen.

Am Ortseingang erwarteten uns Martins Gastgeber mit einem Strauß Blumen, einer Küsschen-Orgie, einem Sitzplatz im Schatten sowie einem kühlen Getränk. Zwischenzeitlich hielten wir beide einige Orchideen in der Hand, die kurz vor der Zielgerade jedem Teilnehmer gereicht werden.
Auf den letzten Metern trafen wir noch ein Läufer-Pärchen aus Köln, die uns sagten, dass sie schon in den letzten Tagen versucht hätten, uns zu folgen, dies jedoch nur machbar gewesen wäre, da wir immer so lange Pause gemacht hätten. Wir unterhielten uns eine ganze Weile sehr nett und ich bat sie, beim nächsten Kölsch-Walk als Zuschauer zu erscheinen, damit man dort nicht so alleine auf der Strecke ist.

Die letzten Kilometer zum Ziel waren Genuss pur. Die Zuschauer am Wegesrand wurden immer zahlreicher und lauter und eine Musikdarbietung folgte der nächsten. Wie in Trance gingen wir dem Ziel entgegen und wünschten uns, dass es noch möglichst lange auf sich warten lässt. Auf der Ziellinie war ich glücklich, dass ich meine ersten 4daagse geschafft habe und traurig, dass ich dieses unvergleichliche Ereignis bislang verpasst habe. Die Frage, ob ich wiederkomme nach Nijmegen, wird sich für mich in diesem Leben nicht mehr stellen.

Schade dass Eddi in diesem Jahr nicht dabei sein konnte - aber es halten sich ja hartnäckige Gerüchte, die besagen, daß sich dies bereits im nächsten Jahr ändern könnte... ;-)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

auch hier gilt: absolut heldenhaft! (aber auch total bekloppt ;o)

Zugegeben: den kompletten Text hab' ich nur beim letzten Tag gelesen - Fotos aber alle geguckt und beides: Text, Foto und offensichtlich auch die Veranstaltung: einfach herrlich!

EDDI hat gesagt…

Georg schrieb: ...Eddi in diesem Jahr nicht dabei sein konnte - aber es halten sich ja hartnäckige Gerüchte, die besagen, daß sich dies bereits im nächsten Jahr ändern könnte... ;-)

Von den Gerüchten habe ich auch gehört ;-)

Euch Helden auch Gratulationen und großen Respekt von mir.

Ich will auch, ich will auch...

Gruß sagt EDDI

Martin Schmitz hat gesagt…

schön das der letzte Tag jetzt auch online ist. Zu unserm 63jähigen Freund Rolf hier noch was: http://strongwalker.blogspot.com/2007/07/begegnung-bei-den-vierdaagsen-rolf.html

und ein paar Fotos aus meinem Basislager habe ich hier eingestellt
http://strongwalker.blogspot.com/2007/07/bilder-aus-meinem-basislager-in.html